ZUR GESCHICHTE VON CANNABIS
IM BEREICH ARZNEIMITTEL
Frühe Geschichte
SEIT ÜBER 6000 JAHREN VERWENDET
Die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken wird seit mehr als 6000 Jahren aktiv dokumentiert.1
Tatsächlich stammen die frühesten Nachweise für den Cannabisanbau in China aus dem Jahr 4000 v. Chr., wo Cannabis ein wichtiger Bestandteil der Ernährung war. Es wurde sogar zusammen mit Reis, Gerste, Hirse und Sojabohnen als eines der „5 Getreide“ angesehen.2
Während der Han-Dynastie in China (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) wurde das älteste Arzneibuch der Welt (Pen-ts’ao ching oder auch Shennong Bencaojing genannt) auf Grundlage von mündlichen Überlieferungen verfasst, die seit 2700 v. Chr. von Generation zu Generation weitergegeben worden waren. Das Arzneibuch führt an, dass Cannabis bei einer Reihe von Erkrankungen nützlich ist, wie u. a. bei rheumatischen Schmerzen, Darmträgheit, Störungen des weiblichen Fortpflanzungsapparats oder sogar Malaria. Darüber hinaus wurde Cannabis verwendet, um Patienten während einer Operation zu betäuben.3
ANBAU UND VERWENDUNG VON CANNABIS
In Indien wurden die Eigenschaften von Cannabis noch weiter eingesetzt, und zwar sowohl für medizinische Zwecke als auch zur Entspannung
Cannabis hatte eine so wichtige Bedeutung, dass es sogar in die Religion aufgenommen wurde. Es gehörte zu einer von fünf heiligen Pflanzen, Es gehörte zu einer von fünf heiligen Pflanzen, die als „Quelle der Glückseligkeit“, „Freudenspender“ und „Freiheitsbringer“ bezeichnet wurden.3
Bereits 1000 v. Chr. konnten die Menschen zwischen psychoaktiven und medizinischen Wirkungen unterscheiden und hatten immense Kenntnisse darüber. Cannabis wurde häufig zur Behandlung zahlreicher Erkrankungen eingesetzt. Die Behandlungskategorien waren vielfältig: Cannabis diente als Analgetikum (Kopfschmerzen), Antikonvulsivum (Epilepsie, Tollwut), Hypnotikum, Beruhigungsmittel (Angstzustände), Anästhetikum, Entzündungshemmer (Rheuma), Antibiotikum (Infektionen), Antiparasitikum (Würmer), Antispasmodikum (Durchfall), zur Anregung von Verdauung und Appetit sowie als Aphrodisiakum und Expektorans (Asthma).3
Das Wissen und die Verwendung des heiligen Krauts verbreiteten sich nach Arabien, wie es in muslimischen Texten (1000 n. Chr.) heißt. Vermutlich waren es arabische Händler, die Cannabis auf den afrikanischen Kontinent brachten. Cannabis erreichte Brasilien im 16. Jahrhundert, als afrikanische Sklaven die Pflanze in dieses Gebiet brachten. Damals war Cannabis in Südeuropa eine knappe Ressource, die ausschließlich für den Anbau von Fasern nach dem Vorbild der Araber verwendet wurde. Das Wissen über den medizinischen Nutzen von Cannabis war so gut wie nicht vorhanden, da es mit Opium verwechselt wurde. Aus diesem Grund hat die lange dokumentierte Geschichte des medizinischen Nutzens von Cannabis Westeuropa erst im 19. Jahrhundert erreicht.3
Neuere Geschichte
CANNABIS ALS REZEPTFREIES ARZNEIMITTEL
Die therapeutische Verwendung von Cannabis hat 1839 der irische Arzt William O’Shaughnessy (der Autor von „Über die Zubereitungen des indischen Hanfs oder Gunjah“) in die westliche Medizin eingeführt. Seine Schriften basierten auf seiner Erfahrung in Indien, wo er für die British East India Company arbeitete. Um das notwendige Wissen zu sammeln, durchforstete er die vorhandene Literatur über Cannabis und beriet sich mit Ältesten und Heilern, um die entspannende und medizinische Verwendung von Cannabis zu verstehen.
Doch erst nach O’Shaughnessys eigenem erfolgreichen Versuch, die Sicherheit von Cannabis und seine analgetischen und beruhigenden Eigenschaften nachzuweisen, erlangte die Pflanze schnell eine zentrale Rolle in der westlichen Medizin in ganz Europa und Nordamerika.
Die Vorteile von Cannabis wurden schnell erkannt, was zur Gründung des Committee on Cannabis Indica der Ohio State Medical Society führte, das 1860 berichtete, dass Cannabis eine Grundlage für die erfolgreiche Behandlung von Gonorrhoe, Asthma, Rheuma und starken Magenschmerzen sei.
Aufgrund der zunehmenden Popularität erlangte Cannabis den Status eines rezeptfreien Arzneimittels, das als „Heilung nach Piso“ oder „Eintägige Hustenkur“ bekannt war.
1924, nach mehr als einem halben Jahrhundert der Verwendung von Cannabis, kam die Analytic Cyclopedia of Practical Medicine von Sajous zu dem Schluss, dass die Pflanze die Behandlung von Migräne, Husten und Entzündungen sowie von Krankheiten wie Tetanus, Tollwut und Gonorrhoe unterstütze.1
WISSENSCHAFTLICHER BEWEIS UND POLITISCHE SCHLAGKRAFT
TROTZ JAHRZEHNTEN SICHERHEIT BEI DER VERWENDUNG VON CANNABIS IN ARZNEIMITTELN
Die westliche Welt verabschiedete 1937 ablehnende Gesetze gegen Cannabis, als in den USA das „Marihuana-Steuergesetz“ erlassen wurde. Aufgrund einer Änderung der politischen Verhältnisse
wurde Cannabis 1942 aus dem US-amerikanischen Arzneibuch gestrichen.5 Die ablehnenden Gesetze waren ausschließlich politisch motiviert. Die vom britischen Unterhaus geforderten Erkenntnisse des Indischen Ausschusses für Arzneimittel auf Hanfbasis besagen Folgendes:
„In Bezug auf die angeblichen psychischen Wirkungen der Arzneimittel ist der Ausschuss zu dem Schluss gekommen, dass die mäßige Verwendung von Arzneimitteln auf Hanfbasis keine schädlichen Auswirkungen auf die Psyche hat. […] Diese Arzneimitteln neigen in der Regel nicht dazu, Kriminalität und Gewalt auszulösen.“ Und außerdem: „Die mäßige Verwendung dieser Arzneimittel ist die Regel, und die übermäßige Verwendung bildet vergleichsweise die Ausnahme. Die mäßige Verwendung hat praktisch keine negativen Auswirkungen”.4
Dennoch verkündeten die Vereinten Nationen 1961 die weltweite Zusammenarbeit beim Verbot und bei der Überwachung illegaler Drogen, darunter auch Cannabis.5 1972 wurde dieses UN-Abkommen geändert, was zu intensiveren Anstrengungen führte, Anbau und Missbrauch von Opium und Cannabis zu verhindern und das International Narcotics Control Board zu erweitern.
Damit wurden Länder mit bestehenden Gesetzen, die Cannabis verbieten, von der globalen Gemeinschaft darin bestätigt, während Länder ohne Vorschriften über Cannabis das UN-Abkommen konform übernahmen.5 Infolgedessen wurden jahrelang von Ärzten verschriebene Arzneimittel auf Basis von Cannabis verboten und mehr als 2000 solcher Medikamente zurückgerufen.6
Vor 1937 produzierten mindestens 280 Pharmaunternehmen,7 darunter alle heute bestehenden großen Pharmaunternehmen, Medikamente auf Basis von Cannabis. Folgende Daten tragen zu einem besseren Verständnis der Bedeutung der Cannabis-basierten Medizin in den Jahren vor 1937 bei: 1937 gab es etwa 9.420 Medikamente8, weshalb der Prozentsatz der Medikamente auf Basis von Cannabis signifikant erscheint – ganze 20 %.
Dennoch blieb Cannabis bis zum Amendment von 1972 illegal, als der Trend zur Entkriminalisierung hin begann und sich die Einstellung von einem stärkeren Verbot hin zu einer wachsenden Toleranz und Akzeptanz der medizinischen Vorteile von Cannabis wandelte. Dieser Stimmungsumschwung wurde zur Grundlage der heutigen medizinischen Verwendung von Cannabis.5
Die Entdeckung des Endocannabinoidsystems
CANNABIS ALS REZEPTFREIES ARZNEIMITTEL
In der Zeit zwischen dem Verbot von Cannabis und der wachsenden Toleranz gegenüber den medizinischen Vorteilen der Pflanze wurde von Professor Raphael Mechoulam und Professor Yechiel Gaoni von der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel eine bahnbrechende Studie durchgeführt. Die Studie beschäftigte sich mit der Frage, warum die Hanfpflanze medizinische Eigenschaften besitzt und wie die Pflanze mit der menschlichen Biologie interagiert. Sie fanden heraus, dass die aktive Komponente von Cannabismolekülen, die so genannten Cannabinoide, im menschlichen Gehirn wirken kann, indem sie durch Nachahmung von Endocannabinoiden auf das intrinsische neuronale Signalsystem einwirkt.
Bald darauf wurde entdeckt, dass Endocannabinoide körpereigene Cannabinoide sind, die zu einem bis dahin unbekannten komplexen System im menschlichen Körper gehörten.
Dieses unbekannte System wurde als Endocannabinoidsystem (ECS) bezeichnet und ist die Grundlage für das Verständnis der Interaktion von Cannabis mit der menschlichen Biologie und Chemie.9
ZENTRALES NERVENSYSTEM
HORMONE
MAGEN-DARM-TRAKT
MUSKELN
IMMUNSYSTEM
HAUTKRANKHEITEN
STOFFWECHSEL
KNOCHEN
CANNABIS HEUTE
CANNABIS ALS REZEPTFREIES ARZNEIMITTEL
Im Jahr 2018 kam die WHO zu dem Schluss, dass CBD bei Mensch (und Tier) sicher und gut verträglich ist, da es nicht mit bekannten negativen Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in Verbindung gebracht wird und auch kein Missbrauchspotenzial hat. Darüber hinaus berichtete die WHO, dass sich CBD bei der Behandlung von Epilepsie als wirksam erwiesen hat, wie in mehreren klinischen Studien gezeigt wurde. Vorläufige Nachweise suggerieren, dass CBD bei der Behandlung von Alzheimer, Krebs, Psychosen, Parkinson und anderen schweren Krankheitszustanden von Nutzen sein könnte.10
GESETZLICHE ÄNDERUNGEN UND WACHSENDES BEWUSSTSEIN
LEGALES CANNABIS BEDEUTET EINEN RÜCKGANG DER VERSCHREIBUNGSPFLICHTIGEN MEDIKAMENTE
In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Studien durchgeführt, um das volle Potenzial von Cannabis in der Pharmakologie zu verstehen.17 Vor allem eine Studie aus den USA unterstützte viele frühere Untersuchungen. Sie stellte ganz klar fest, dass „die Verwendung verschreibungspflichtiger Medikamente, für die Cannabis als klinische Alternative dienen könnte, deutlich zurückgegangen ist, sobald ein Gesetz über Cannabis verabschiedet wurde“.18 Bradford & Bradford, die 2013 eine Studie durchführten, stellten außerdem fest, dass der Rückgang der verschreibungspflichtigen Medikamente eine Einsparung von geschätzten 165,2 Mio. US-Dollar pro Jahr für medizinische Programme bedeutete.19
DIE KAPITALISIERUNG VON MEDIZINISCHEM CANNABIS
IN DER PHARMAZEUTISCHEN INDUSTRIE
2019 arbeitete Teva Pharmaceuticals, der weltweit größte Hersteller von Generika, bereits mit einem Unternehmen für Cannabis zusammen.20 Auch GlaxoSmithKline Plc und Pfizer Inc. prüfen, wie sie Cannabis im medizinischen Bereich verwenden könnten, um die Bedürfnisse der Verbraucher zu bedienen.21 Nichtsdestotrotz sind GlaxoSmithKline Plc und Pfizer Inc. der Meinung, dass es keine Nachweise für die Vorteile von Cannabis gibt21, obwohl Pfizer Inc. in seiner Vergangenheit selbst die Herstellung betrieb und in den 1970er Jahren klinische Studien mit synthetischen Cannabinoiden durchführte.22
Angesichts des WHO-Berichts aus dem Jahr 2018, jahrzehntelanger Studien und der eigenen Vergangenheit von Pfizer Inc. erscheint die Behauptung, dass „es nicht genügend Nachweise für die Verwendung von Cannabis in Behandlungen gibt“ widersprüchlich. Der Widerspruch wird im Lichte der aktuellen Maßnahmen der Pharmaindustrie noch deutlicher, denn die Industrie, einschließlich GSK & Pfizer Inc., möchte sich auf keinen Fall
die Gelegenheit nehmen lassen, von der möglichen Cannabisrevolution in der Medizin zu profitieren<sup>21</sup>, da sie 14 Cannabispatente in Kanada angemeldet haben und damit in Konkurrenz mit neun anderen Pharmaunternehmen weltweit stehen.22
Das große Interesse der pharmazeutischen Industrie an Cannabis zeigt, dass wir viel aus der Geschichte lernen können. Noch wichtiger ist jedoch, dass der Einsatz von Cannabis in klinischen Behandlungen aufgrund seiner heilenden Eigenschaften nicht neu ist – vielmehr ist er schon seit Ewigkeiten bekannt.
Jetzt heißt es, die Gesetzgeber über die vielen Vorteile von Cannabis aufzuklären, damit die Nachfrage der Gesellschaft nach den heilenden Eigenschaften der Pflanze erfüllt und gehört werden und Cannabis wieder Teil der klinischen Methodik werden kann.
Quellenangaben
- Zuardi, A. W. (2006). History of cannabis as a medicine: a review. Revista Brasileira de Psiquiatria, 28(2), 153–157. https://doi.org/10.1590/S1516-44462006000200015
- The Religious and Medicinal Uses of Cannabis in China, India and Tibet – Journal of Psychoactive drugshttps://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02791072.1981.10471447
- History of cannabis as a medicine: a review – Brazilian Journal of Psychiatry https://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S1516-44462006000200015&lng=en&tlng=en
- The Rise and Decline of Cannabis Prohibition – Transnational Institute https://www.tni.org/files/download/rise_and_decline_ch1.pdf
- Cannabis in the pharmaceutical industry – PwC, Canada’s cannabis series https://www.pwc.com/ca/en/industries/cannabis/pwc-cannabis-series-chapter-9-cannabis-in-the-pharmaceutical-industry.html
-
History of medical cannabis – Wikipedia (the antique cannabis book) https://en.wikipedia.org/wiki/History_of_medical_cannabis
- Appendix A, Pharmaceutical Cannabis Manufactures – The Antique Cannabis Book http://antiquecannabisbook.com/Appendix/MfgIndex.htm
- Berechnung zum Hintergrund: Heute gibt es weltweit 13.570 Arzneimittel (https://www.drugbank.ca/stats) mit einem jährlichen Zuwachs von 40 bis 50 neuen Medikamenten (https://cen.acs.org/pharmaceuticals/drug-development/new-drugs-2018/97/i3). Rechnet man diese Zahlen zurück, ergibt sich für das Jahr 1937 eine Anzahl von 9.420 Arzneimitteln weltweit. Bei 2000 Cannabis-Arzneimitteln im Jahr 1937 entspricht dies einem Anteil von 20% an der Gesamtheit der Medikamente.
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Themed issue on cannabinoids in biology and medicine – British Journal of Pharmacology https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3165944/
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CANNABIDIOL (CBD) Pre-Review Report – WHO (World Health Organization) https://www.who.int/medicines/access/controlled-substances/5.2_CBD.pdf
- Medicinal cannabis policies and practices around the world – International Drug Policy Consortium https://idpc.net/publications/2018/04/medicinal-cannabis-policies-and-practices-around-the-world
- Cannabis Regulation Around the World – The Cannigma https://cannigma.com/regulation/cannabis-regulation-around-the-world/
-
S.2667 – Hemp Farming Act of 2018 – Congress.gov (official website for U.S. federal legislative information)
https://www.congress.gov/bill/115th-congress/senate-bill/2667 - Hemp Production and the 2018 Farm Bill – U.S. Food and Drug Administration https://www.fda.gov/news-events/congressional-testimony/hemp-production-and-2018-farm-bill-07252019
- State Medical Marijuana Laws – National Conference of State Legislatures https://www.ncsl.org/research/health/state-medical-marijuana-laws.aspx
- States where marijuana is legal – Business Insider
https://www.businessinsider.com/legal-marijuana-states-2018-1?r=US&IR=T - How Medical Marijuana could literally save lives – The Washington Post https://www.washingtonpost.com/news/wonk/wp/2015/07/14/how-medical-marijuana-could-literally-save-lives/
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Medical Marijuana Laws Reduce Prescription Medication Use In Medicare Part D – Health Affairs (peer-reviewed and leading journal of health policy thought and research)
https://www.healthaffairs.org/doi/10.1377/hlthaff.2015.1661 -
Medical Marijuana Laws Reduce Prescription Medication – National Library of Medicine https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27385238/
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Exclusive: One Of The Largest Pharma Companies In The World Has Made A Big Move In Cannabis – Forbes
https://www.forbes.com/sites/javierhasse/2019/09/12/big-pharma-teva-cannabis/#4825f04951f7 -
CBD Piques the Interest of Consumer Health Giants – Bloomberg https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-08-01/cbd-piques-consumer-health-giants-interest-as-market-takes-off
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Buch: Neuropathic Pain – IntechOpen
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Big Pharma Collects Most Canadian Cannabis Patents – New Frontier Data https://www.globenewswire.com/news-release/2018/08/15/1552656/0/en/Big-Pharma-Collects-Most-Canadian-Cannabis-Patents.html
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